Sintra
Der nächste Touristenmagnet steht für den nächsten Tag auf dem Programm. Es wird empfohlen, von Lissabon aus mit dem Zug anzureisen und nicht selbst mit dem Wohnmobil dorthin zu fahren, so steht es in den meisten Reiseführern und meine Erfahrung gibt dieser Empfehlung recht.
Ich nehme wieder den Bus, diesmal eine andere Linie, bis zum Bahnhof Benefica. Das ist der nächstgelegene Bahnhof, von dem aus man Züge nach Sintra nehmen kann. Der Zug kommt aus der Innenstadt und – wer hätte das gedacht – er ist brechend voll.
Ich werde angemault, dass ich mich nicht so an eine sitzende Frau drängeln soll … als ob das meine Absicht gewesen wäre, wo ich das doch per sé hasse, wenn so ein Gedränge ist. Aber gut, wir sind alle nur Menschen. Das Ganze wird dann etwas entspannter, als zwei Musiker in den Zug einsteigen und Musik machen. Da sieht man es wieder – Musik verbindet – oder entspannt wie in diesem Fall.
Auf jeden Fall ist es eine schöne Abwechslung und ich mag es. Natürlich wird hinterher gesammelt und es tut mir leid, dass die Leute, die vorher mitgesungen haben, einfach den Kopf schütteln und nichts geben wollen. Als ob der eine Euro den zukünftigen Reichtum verhindern würde. Komisch – nichts darf etwas kosten.
Palace Pena
Ich weiß nicht genau, wie das dort funktioniert, aber das wird sich schon finden, denke ich. Irgendwo habe ich gelesen, dass es vor dem Bahnhof in Sintra zwei Buslinien gibt, die einen zu den verschiedenen Sehenswürdigkeiten bringen.
Ich laufe der Menge hinterher und stehe tatsächlich vor einem Bus. Doch die freundliche Dame erklärt mir, dass mein Lisboa Ticket hier nicht gilt – was für den Zug galt, um mich hierher zu bringen, gilt hier nicht mehr. Na gut… Ich kaufe ein Ticket und steige ein. An den verschiedenen Haltestellen steigt niemand aus und auch ich bleibe sitzen, schließlich will ich auch zum Highlight von Sintra, dem Pena Palace.
An der Haltestelle Pena Palace steigen fast alle aus. Es gibt einige Ticketautomaten und auch ein paar Kassenhäuschen. Wie könnte es anders sein – erst mal anstellen. Am Automaten kann man ein Ticket für den Park oder für Schloss und Park kaufen. Also, wenn ich schon mal da bin, dann auch für die Burg. Der Automat gibt ein Ticket für ein bestimmtes Zeitfenster aus.
Aha – also hier auch. Im Internet kann man die Tickets schon kaufen, aber da auch nur mit Zeitfenster. Und ich weiß ja nicht, ob das mit Bus und Bahn so klappt. Also entweder verpasse ich den Slot oder ich sitze ewig da, abgesehen von dem Stress, den so was macht. Also bin ich zufrieden – 14 Uhr steht auf der Fahrkarte, das ist in zwei Stunden, das ist ok. Ich laufe ein wenig durch den schön angelegten Park, trinke noch einen Kaffee und schaue mir schon mal die verschiedenen Terrassen an, die man auch ohne Ticket besuchen kann.
Das besondere an Schloss Pena
Was also macht das Schloss so besonders, dass es einem solchen Ansturm standhalten muss? Zunächst einmal fällt auf, dass der Stilmix gar nicht so schlecht ankommt. Hier haben sich die Bauherren gedacht, sie lassen mal alles einbauen, was ihnen gefällt und was machbar ist. So gab es Wachtürme nach dem Vorbild des Turms von Belèm, Fassadenreliefs der Casa Bicos, Nachahmungen von Neuschwanstein, maurische Elemente und auch der islamischen Kultur wurde Tribut gezollt. Sicherlich spielten auch die Zeit und die jeweilige Mode eine Rolle. Lustig fand ich auch, dass eine ehemalige Bußzelle erst zur Toilette und dann zum Weinkeller umfunktioniert wurde.
König Ferdinand II. begann 1838 mit dem Bau bzw. Umbau des Schlosses, der bereits im 16. Zuvor hatten dort andere königliche Hoheiten gewohnt. Er holte sich einen erfahrenen deutschen Baron – Wilhelm von Eschwege. Und dann haben wir das Ganze noch bunt angemalt und fertig war das Märchenschloss. Das war um die Jahrhundertwende so in Mode. Schauen wir uns die Schlösser von König Ludwig von Bayern an, der hat auch wild bauen lassen. Ein bisschen erinnert mich die Bauwut Anfang des 20. Jahrhunderts immer an kleine Kinder, wenn sie mit Lego bauen und alle Anleitungen ignorieren. Gut – fördert die Kreativität – und das haben sie sich damals sicher auch gedacht. Ging nur alles auf Kosten der Steuerzahler oder der Lehnsherren.
König Ferdinand, in Wien geboren und mit dem englischen Königshaus verwandt, war Prinz von Sachsen-Coburg und wurde König, weil er Königin Maria II. von Portugal heiratete. Nach dem ersten Kind wurde er König, Maria starb bei der Geburt des elften Kindes. Man nannte ihn auch den „Künstlerkönig“. Danach heiratete er noch einmal die Gräfin von Edla. Sie bauten das Schloss schön aus und legten auch viel Wert auf die Gestaltung des Parks. Sie bauten sich auch noch ein kleines Chalet im Park und dort ganz zurückgezogen auch ohne Dienerschaft.
Das Chalet ist im Stil der Schweizer Chalets gebaut, was die Gräfin an ihre Herkunft erinnern sollte. Sie wurde in der Schweiz geboren und wanderte mit ihren Eltern nach Amerika aus. Sie war die erste Königin aus Amerika.
Die Faszination liegt sicher auch darin, dass es sich um Schlösser handelt, die in einer für uns vorstellbaren Zeit bewohnt waren. Das Schloss wurde zuletzt von König Carlos I. und seiner Frau Königin Amelia bewohnt. Diese schöne Zeit endete 1910 mit dem Sturz der Republik, die Königin musste ins Exil fliehen und der König starb. Im Jahr 1945 kehrte die Königin im Rahmen eines offiziellen Besuchs in ihre ehemalige Residenz zurück. Ich stelle mir das sehr emotional vor und hätte wahrscheinlich darauf verzichtet.
Das Interieur von Pena ist vollständig erhalten und macht sicher einen großen Teil der Faszination aus. Der Tisch im Salon ist gedeckt und man hat das Gefühl, man könnte sich jederzeit dazusetzen und bekommt die leckersten Speisen serviert. Alle Räume sind voll möbliert und man stellt sich vor, wie Königin Amelia durch die Tür kommt und Platz nimmt.
Sintra Altstadt
Nach Pena fahre ich mit dem Bus nach Sintra. Dort befindet sich die Altstadt von Sintra und der Nationalpalast, den man auch besichtigen kann. Mittlerweile ist es Nachmittag und der Andrang hat nachgelassen, zumindest kann ich ohne Schlange ein Ticket kaufen und mir den Palast in Ruhe ansehen. Es ist ein ziemlich großes, abweisendes Ding, der Palast – da ist es verständlich, dass der Wunsch nach einem gemütlicheren Domizil aufkam. Man hatte ja die Wahl. iIch stelle es mir auch schwierig vor, das Ding zu heizen, wie so viele andere Schlösser. Damals durfte man nicht so verweichlicht sein wie wir heute. Ich glaube, ich hätte da einfach gefroren – sommers wie winters. Ach, zum Glück bin ich keine Prinzessin geworden … ;))
Nach Hause ins eigene Schlösschen
So ein Tag geht schnell vorbei und ich beschließe, keine weiteren Schlösser mehr zu besichtigen. Es war ein schöner Tag und irgendwann muss auch mal Schluss sein mit all dem Prunk und der Pracht und so steige ich wieder in den Zug und fahre meinem eigenen kleinen, mobilen Schlösschen entgegen.