Viktor&Rolf | Fashion Statements

Eine Fusion von Kunst und Mode

Ausstellung in der Kunsthalle München, vom 23.2. bis 6.10.2024

Die Ausstellung trägt als Untertitel die Aussage »FASHION STATEMENTS«. Ich bin gespannt und besuche an einem Montagnachmittag die Ausstellung. Erste Wahrnehmung – auch hier ist es voll, aber alle Besucher sind sehr diszipliniert. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit Thierry-Maxime Loriot entwickelt, der bereits die aufsehenerregenden Schauen Jean Paul Gaultier. From the Sidewalk to the Catwalk (2015), Peter Lindbergh. From Fashion to Reality (2017) und Thierry Mugler. Couturissime (2020/21) kuratierte.

Die Künstler Victor&Rolf

Victor Horsting und Rolf Snoeren sind Modedesigner aus den Niederlanden. Es ist eine bewundernswerte Leistung, im noch relativ jungen Alter von 55 Jahren (beide sind 1969 geboren), eine Retrospektive in dieser Größenordnung zeigen zu können.

Viktor Horsting und Rolf Snoeren loten seit über 30 Jahren immer wieder die Grenzen zwischen Couture und Kunst aus. Die Topriege der Künstlerinnen, wie Madonna, Lady Gaga oder Jennifer Lopez, alle bekannt für ihre modisch fulminanten Auftritte, ließen sich von den beiden Designern einkleiden. Auch Ballettproduktionen und eine Oper haben sie ausgestattet.

Es sind Visionäre, und wie sie ihre Kreationen in Szene setzen, ist einfach beeindruckend. Wer so kreativ ist, zieht natürlich auch andere Kreative an. So haben Fotokünstler wie Andreas Gursky oder Ellen von Unwerth oder Inez & Vinoodh sich mit großer Freude an den Werken fotografisch abgearbeitet.

Eigentlich wollten sie Mode machen, aber ihre Kreativität ist manchmal einfach mit ihnen durchgegangen, und es wurde Kunst. Nicht nur Haute Couture – nein, richtige Kunst. Natürlich standen sie vor der Entscheidung, ob sie Künstler oder Modedesigner sein wollten. Sie wollten beides sein. Als Modedesigner muss einfach jedes Jahr zweimal eine neue Kollektion an den Start. Als Kreative mit dem Druck zu leben, kreativ und produktiv zu gleichen Teilen zu sein, ist nicht einfach. Die beiden haben es bisher mit Bravour geschafft, beides zu sein. Glückwunsch … Ich finde, die Ausstellung sollte den Untertitel »Art and Fashion Statements« tragen.

Sie lernten sich während des Studiums kennen und gewannen 1993 die drei ersten Preise beim Festival International de Mode et Photographie. Sie gründeten daraufhin das Fashionlabel und nahmen dann erst mal an einer Kunstausstellung teil.

Sie gehen einen windungsbehafteten Weg, einerseits getrieben vom beruflichen Erfolg und dem Druck, kreativ sein zu müssen, und andererseits dem Wunsch, ihre Kreativität frei zu entfalten. 1996 streikten sie quasi und brachten keine Kollektion heraus. 1998 folgte dann doch die erste Haute Couture Kollektion. In den folgenden Jahren entwarfen sie Kostüme für Tanzproduktionen und designten das Hochzeitskleid für Prinzessin Mabel van Oranje-Nassau. 2008 erwarb der italienische Luxusgüterkonzern OTB die Mehrheit an der Firma.

Tipp für den Besuch

Es kann während des Besuchs der Ausstellung eine Audiotour gehört werden. Diese kann man sich auch schon vorab anhören oder man bringt am besten seine eigenen Kopfhörer mit und hört sich das Ganze dann von seinem mobilen Endgerät aus an.

Viktor&Rolf | Fashion Statements

Haute Couture & Ready-to-Wear

Das sind die zwei Ansätze, um Kleidung herzustellen und sich einen Namen zu machen. Die Haute Couture zeichnet sich dadurch aus, dass sie hand- und maßgefertigt ist, aber auch einzigartig und bahnbrechende Trends setzen sollte. Inwieweit solch ein Haute Couture Stück dann auch für uns im Alltag tragbar ist, sei mal dahingestellt. Da ich weder Madonna noch Lady Gaga noch eine Prinzessin bin, obwohl ich das gerne geworden wäre und mehrfach mit dem Gedanken einer Umschulung gespielt habe, traue ich mich schon gar nicht, so etwas anzuziehen. Noch dazu fehlt es an entsprechender Gelegenheit. Aber – was nicht ist, kann noch werden … Das Leben bietet viele Überraschungen.

Ready-to-Wear – das ist schon eher das, was auch unsereiner trägt. Es ist industriell gefertigte Kleidung, die in größeren Mengen produziert wird und vermeintlich tragbar ist.

Es gibt die Fédération de la Haute Couture, die bestimmt, welche Modehäuser und Designer ihre Modelle als Haute Couture bezeichnen dürfen. Strenge Maßstäbe werden dabei angelegt. Man muss ein Atelier mit mindestens 15 Vollzeitangestellten haben, die Anfertigung muss nach Maß in Handarbeit und mit traditionellen Schnitttechniken erfolgen, und die Kollektionen müssen zweimal jährlich während der Pariser Fashion Week gezeigt werden.

Die Ausstellung Viktor&Rolf | Fashion Statements

Das erste Kleid mutet von weitem an, wie ein an die Wand gestellter Besen und entpuppt sich dann auf den zweiten Blick als ein Kleid, dass die Trägerin verkehrt herum an hat. Nein, nicht auf links oder so – richtig verkehrt herum. Der Rock steht steil nach oben und verhüllt das Gesicht der Trägerin. Man ahnt, was auf einen zukommt …

Kunst oder Kleidung?

Ach, sie wollten beides machen, und so haben sie den Damen einfach gerahmte Bilder angezogen. Die Rahmen wurden in kleine Stücke geteilt, um so den entsprechenden Schwung des Kleides zu realisieren.

Um neue Wege zu gehen und auch um Statements zu setzen, wurden Löcher geschnitten, wo sie vermeintlich nicht hingehören, Buchstaben als Kragen kreiert, Kleidung wurde irgendwie verkehrt rum oder quer den Modells angepasst oder Ballkleider mit provokativen Aufschriften, wie man sie sonst nur von T-Shirts kennt, versehen.

Mich faszinierte bei der Ausstellung der durchgängig rote Faden, bestehende Regeln nicht nur in Frage sondern auch auf den Kopf zu stellen.

Fashion Statements | Viktor&Rolf

Die Puppenkollektion

Um die Kollektionen für die Nachwelt zu bewahren, haben die beiden angefangen, Porzellanpuppen herzustellen, die sie mit ihren Kreationen einkleiden. So kann man im nächsten Raum die »Russian Doll« bewundern. 1999/2000 hatten sie einem Modell während einer Fashion Show mehrere Kleider übereinander angezogen. Auch so ein Ding, dass Viktor&Rolf bei den Modeshows meistens aktiv mit auf der Bühne sind.

Das Modell blieb ganz regungslos während der Ankleideprozedur und wurde immer fülliger. Wer die russischen Puppen kennt, bei der sich in jeder Puppe die nächst kleinere Größe versteckt, versteht das Spiel.

Eine Ausstellung aller Porzellanpuppen, die bislang hergestellt wurden und jeweils das Top-Kleid der Saison tragen, steht in einem der nächsten Räume.

Ballkleider für Bitches, Prinzessinnen oder Queens?

Im Ballsaal mit Kristalllüster und Wandtapeten, die den Spiegelsaal von Versaille zeigen und so eine Illusion eines rauschenden Festes erzeugen, sind die tollsten Entwürfe für großartige Prinzessinnenkleider ausgestellt. Auch wenn die Kleider alle eine Irritation haben. So steht auf einem der Kleider: »I’m not shy I just don’t like you.« – »Ich bin nicht schüchtern – ich mag dich einfach nicht.« Oder ein anderes mit dem Hinweis, dass man nicht fotografiert werden möchte. Oder es wurde in den Rock mittig ein Loch geschnitten, sodass der Rock quer getragen werden konnte. Hier versteht man den Begriff »Querdenker«.

Gurski was there …

Natürlich darf auch das Foto von Andreas Gursky nicht fehlen. Ein Foto, das für seinen Stil repräsentativ ist. So hat er es nicht aufgenommen. Es sind eine Vielzahl von Fotos bravourös zusammengesetzt worden zu einem Gesamtkunstwerk. Seine Bilder sind immer wieder beeindruckend. Wenn auch noch beeindruckender die Verkaufspreise seiner Arbeiten sind …

Andreas Gursky

Reduce – Reuse – Recycle

An einer Multivisionswand werden Videos der verschiedenen Modenschauen gezeigt. Irgendwie witzig, 11 Bildschirme mit unterschiedlichem Kontext. Man weiß gar nicht, wo man hinsehen soll.

Ob es jetzt so mit dem reduce geklappt hat, wage ich zu bezweifeln. Mit reuse und recycle schon eher. In einem Hochregal stehen 10 Schaufensterpuppen, bekleidet mit »nachhaltiger Kleidung«. Hier wurden Kleider aus recycelten Materialien genäht. Die Ärmel einer Jacke sind über und über besetzt mit übriggebliebenen Knöpfen oder ein Stoff wurde aus Stoffresten und Fäden gefilzt.

Das Blätterjäckchen, das im letzten Raum gezeigt wird, wäre schon mal was für einen Stadtbummel, während ich auf den Überstülpkäfig doch verzichten könnte.

Der Film zur Ausstellung

So, ich hoffe, ich habe euch Lust auf Kunst und Mode gemacht. Ich finde es ist es eine sehenswerte Ausstellung. Hier wird Mode auf den Kopf gestellt, Alltägliches einmal quergedacht, und immer wieder gibt es eine Überraschung. Bis Oktober kann man sich die Ausstellung noch ansehen. Vielleicht mache ich noch eine Führung mit, wenn es mir zeitlich passt. Ich liebe Führungen, weil man dann immer noch ein bisschen mehr Hintergrundwissen bekommt. Obwohl ich mir schon gerne auch selber meine Gedanken mache.

Wenn ihr die Ausstellung besuchen solltet, dann schreibt doch mal in die Kommentare, was ihr dabei so erlebt habt.

Viktor&Rolf | Fashion Statements

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