Lissabon – Ein Abenteuer voller Irrungen und Wirrungen
Ja, und dann waren wir plötzlich in Lissabon. Und zwar mittendrin! Im Vorfeld hatten wir ausgiebig gegoogelt, wo wir unser Wohnmobil abstellen könnten. Es gibt einige Parkplätze auf der anderen Seite des Tejo, aber die galten entweder als unsicher – viele Berichte über aufgebrochene Wohnmobile –, waren geschlossen oder einfach umständlich zu erreichen. Man müsste die Fähre nehmen und ewig weit zum Fährhafen laufen. Direkt in Lissabon gibt es einen Parkplatz bei einer alten Waffenfabrik und einen am Seglerhafen. Dann gibt es noch einen Campingplatz etwa 6 km vom Stadtzentrum entfernt, der in den Bewertungen jedoch nicht gut wegkommt.
Also gebe ich mal den Platz am Seglerhafen ins Navi ein. Die Koordinaten führten uns allerdings zum Parkplatz selbst und nicht zur Einfahrt, sodass ich prompt daran vorbeifuhr. Als ich zurücksetzen wollte, schlug mein Mann vor, den Platz bei der Waffenfabrik anzusehen. Laut den Bildern im Internet sah es dort jedoch furchtbar aus und es wären 12 km quer durch die Stadt. Er ließ sich davon nicht abschrecken, und so machten wir uns auf den Weg. Es ging durch ganz Lissabon. Alle schrecklichen Vorstellungen von engen Gassen wurden wahr. Das Einzige, was mich bei dieser Odyssee beruhigte, war die Tatsache, dass vor mir Lastwagen und Linienbusse fuhren – wenn die da durchkommen, schaffen wir das auch, dachte ich mir.
Wir standen und fuhren, fuhren und standen – gefühlt war ganz Lissabon eine einzige Baustelle. Endlich kamen wir an dem besagten Platz an. Und es war noch schlimmer als auf den Fotos. Ich brach in Tränen aus und verzog mich erstmal in die hinteren Gefilde des Wohnmobils. Sorry, es gibt keine Fotos von dem Platz – es war so furchtbar und mir nicht zum fotografieren zumute.
Irgendwann scheint es auch zu meinem Mann durchgedrungen zu sein, dass ich das nicht gut fand, und er schlug vor, doch zu dem Platz am Seglerhafen zurückzufahren. Also noch einmal eine Dreiviertelstunde durch Lissabon. Ich versuchte, das Navi zu ignorieren und einfach am Tejo entlangzufahren – das schien mir schneller zu sein als durch die Stadt. Wie viele Schilder ich dabei ignorierte, die darauf hinwiesen, dass die Durchfahrt nicht erlaubt war, weiß ich nicht. Aber viele andere fuhren da auch durch. Unwissenheit schützt zwar nicht vor Strafe, aber es hat mich keiner aufgehalten oder wüst beschimpft. Wir werden sehen ob wir Post aus Lissabon bekommen wenn wir wieder zuhause sind.
Schließlich kamen wir doch irgendwann am Seglerhafen an. Ein Restaurant in Laufnähe gab es nicht, bzw. es war schon geschlossen. Immerhin war die Nacht ruhig und das Ambiente nicht ganz so furchterregend. Mein Mann schlug vor, doch auf den Campingplatz zu fahren, obwohl er vermeintlich teuer und schlecht bewertet war und man erst ab 14 Uhr einchecken konnte. Um den Abendverkehr zu meiden, beschloss ich, gleich am Vormittag dort hinzufahren.
Woher mein Mann diese Horrorinfos hatte, weiß ich nicht. Man kann dort ab 8 Uhr morgens bis spätabends einchecken, die Nacht kostet mit allem Drum und Dran 38 Euro, und der Platz ist super gepflegt. Auch die Sanitäranlagen sind sauber und ordentlich. Man kann immer etwas zu meckern finden, selbst im 5-Sterne-Hotel, aber wir fanden, dass dieser Campingplatz die schlechten Bewertungen wirklich nicht verdient hat. Entsprechend gute Bewertung habe ich auch abgegeben. Das Personal war super freundlich und hilfsbereit, am Stellplatz gab es Wasser und Strom, und die Plätze waren groß und meistens relativ eben. Ich war begeistert.
An der Rezeption konnte man eine Lisboa Card kaufen, die ich für drei Tage erwarb, und machte mich auf den Weg in die Stadt. Ein Bus hält in der Nähe und bringt einen zuverlässig ins Zentrum. Die Zeiten sind, wie immer bei Bussen, eher Richtwerte, aber der Turnus war relativ zuverlässig. Mit dem Verkehr kann man das ja verstehen.
Ein chaotischer, aber köstlicher Tag in Lissabon
Erstmal fahre ich bis zum Zentrum, zum Cais do Sodré. Von dort kann man bequem in die Innenstadt laufen. Es scheint alles ziemlich weit auseinander zu liegen, wo ich sonst bei meinen Stadtbesichtigungen immer zwangsläufig an allen Sehenswürdigkeiten vorbeikomme, scheine ich hier tatsächlich mal einen Plan zu brauchen.
Time out Food Market
Doch gleich fällt mir der »TIME OUT Food Market« ins Auge und ich stürze mich hinein. Mittagszeit wäre ja auch angebracht. Wow, was für eine riesige Markthalle! Ringsum an den Wänden reiht sich ein Verkaufsstand an den anderen, und alle bieten köstlich aussehende Gerichte an. In der Mitte der Halle sitzen die Besucher an langen Tischen und genießen ihre Mahlzeiten. Ganz schön was los hier …
Ich umrunde die Halle dreiviertel und kann dann an einem Stand mit frischen Austern nicht mehr widerstehen. Ich kaufe ein paar Austern, in Tempura ausgebackene Krabben und ein Glas schönen kalten Weißwein. Suche mir ein Plätzchen und genieße …
So lässt sich der Tag doch gut an! Eine kleine Belohnung für die Strapazen und den Unbill der letzten Stunden.
Gestärkt gehe ich ein Stück westlich, fotografiere moderne Bauten ›EDP Headquarters‹ dort war man entspannt was das fotografieren an ging. Dahinter ist ›EDP Sede II‹ ein Unternehmen für Akustik und mit einem tollen Gebäude – und werde prompt verscheucht, weil man da angeblich nicht fotografieren darf. Ich lasse mich auf keine Diskussion ein. Normalerweise bitte ich immer höflich darum, mir diese Anweisung schriftlich zu zeigen, und würde so lange warten und weiter fotografieren. Bis jetzt konnte mir noch niemand eine schriftliche Anweisung vorzeigen. Alles Wichtigmacher … Aber gut, ich war dort eindeutig nicht auf öffentlichem Boden, und damit könnte er recht haben.
Ich laufe Richtung Rua Augusta – der Hauptstraße – und mir aufgrund des Namens schon mal besonders sympathisch, da ich ja mit zweitem Namen Auguste heiße. Ich schlendere also durch »meine Straße« in Richtung »oben« und suche eine Haltestelle der Straßenbahnlinie 28. Die Linie, mit der man unbedingt einmal gefahren sein muss. Sie schlängelt sich durch die engen Gassen steil nach oben und bringt alle Besucher mit lautem Geschepper und viel hartem Geruckel fast bis zum Gipfel. Ich habe Glück, vor mir hält die Straßenbahn. Die Gruppe Inder, die dort ansteht, bedeutet mir, dass sie lieber mit der nächsten Bahn fahren möchten, weil diese so voll ist. Aber ein Plätzchen geht immer … und so darf ich einsteigen und finde tatsächlich noch einen Sitzplatz. Welch Wunder! Es ist gar nicht so schlimm, wie immer behauptet wird – mit dem Andrang – mit der Unbequemlichkeit schon. Die Fahrt ist ein einziges Gerappel und Geschepper, und irgendwie beschleicht mich immer wieder das Gefühl und der Gedanke an Sicherheit. Sind die Bremsen wirklich in Ordnung? Oder rollt die Bahn plötzlich rückwärts den Berg hinunter? Oh – da läuft das Kopfkino bei mir wieder an … Die Bahn krabbelt unverdrossen mit lautem Geruckel den Berg hoch, und ich kann nur jedem raten, erst danach zu essen, sonst könnte es einem …
Als der Fahrer ziemlich unwirsch bedeutet, dass hier Endstation ist, steige ich aus und mache mich auf den Weg zum Castello de São Jorge. Es geht über Rolltreppen, die nicht funktionieren, steil hinauf zum Castello. Ich lasse mir Zeit, fotografiere ein wenig, und als es dann merklich voller wird, sehe ich auch schon die lange Schlange, die an der Kasse ansteht. Oh Gott… schon wieder… Wie immer laufe ich direkt zum Kassenhäuschen, erst mal um »Lage zu peilen« und was sehe ich? Ein Schild für eine »Fast Line« für Inhaber der Lisboa Card. Ich stehe keine Minute an und werde zur Kasse durchgewunken. Dort gebe ich meine Lisboa Card ab, erhalte ein Ticket und bin auch schon drin. So schnell kann es gehen. Ich mache einen Rundgang und genieße die phänomenale Aussicht. Toll, und so auf festem Boden mag ich das auch. Nur das mit den Türmen muss nicht sein. Die Burganlage ist groß, und die noch vorhandenen Teile werden gut erhalten und immer wieder instand gesetzt.
Eine von den Mauren erbaute Burg, die dann mehrere Jahrhunderte als Königsburg genutzt wurde. 1755 wurde sie jedoch bei dem großen Erdbeben weitgehend zerstört. Eine kleine Schlange macht mich auf die Camera Obscura aufmerksam, von der ich irgendwo gelesen hatte. Ich stelle mich an und nehme an der nächsten Führung auf Spanisch teil. Nicht, dass ich perfekt Spanisch sprechen würde – weit gefehlt – aber die wesentlichen Infos bekomme ich mit. Mit einem Teleskop wird die Stadt auf eine große Schüssel projiziert, und eine freundliche Dame erklärt die wesentlichen Bauwerke Lissabons. Es gibt auch Führungen in Englisch, aber so lange wollte ich nicht warten.
Als ich genug gesehen habe, fängt es an zu regnen, und ich suche Zuflucht in einem Restaurant. Aus dem geplanten Espresso werden dann doch vier gegrillte Sardinen, die der Portugiese mit »Haut und Haar« isst, der Deutsche jedoch lieber wie eine Forelle auseinander nimmt. Am Nachbartisch sitzt ein deutsches Ehepaar, und genau über die Art des Sardinenessens kommen wir ins Gespräch und sitzen noch lange bei bester Unterhaltung. Ach, es ist ja Urlaub … Als wir dann doch aufbrechen, steht an der nächsten Ecke ein Musiker im ersten Stock auf seinem Balkon und unterhält das Viertel. Was zu Coronazeiten auch bei uns normal war, ist hier an der Tagesordnung. Ich bleibe stehen und könnte noch lange den Klängen lauschen. Aber eigentlich habe ich ja noch den Bahnhof ›Oriente‹ auf meinem Zettel. Ein toller moderner Bahnhof, an dem es viel zu fotografieren gibt. Und so suche ich mir die nächste Verbindung heraus und mache mich auf den Weg.
Wie gesagt, es ist alles so groß und weitläufig, und so fahre ich gefühlt ewig dorthin hinaus. Der Bus fährt jede Siedlung ab, die auf dem Weg liegt, und ich lerne alle Vororte Lissabons kennen, bis wir endlich dort ankommen. Tatsächlich ein beeindruckendes Bauwerk. Ich bin wieder ganz fit nach dem langen Tag, fotografiere auf allen Ebenen und entdecke immer wieder neue Winkel und Ecken. ›Estação do Oriente‹ klingt ja schon irgendwie toll, auch wenn es nur ganz schlicht und ergreifend Ostbahnhof heißt. Als 1994 der Architekt Santiago Calatrava den Wettbewerb gewann, baute man diesen Bahnhof nach seinen Plänen. Die Station stellte dann 1998 den Eingang zur Expo dar.
Der Tag neigt sich jedoch dem Ende zu, und der letzte Bus geht so um kurz vor 10 Uhr in Richtung Campingplatz. Ich will mich jetzt mal nicht auf den allerletzten Bus verlassen und schaue, dass ich wieder Richtung Zentrum komme. Mit der U-Bahn, die vom Ostbahnhof ins Stadtzentrum fährt, geht es etwas schneller als auf dem Hinweg, aber dauert doch eine Weile. Es ist schon fast dunkel, als ich in der Stadt ankomme, und ich fahre dann mit dem Bus nach Hause.
Mehr Bilder folgen …