Wir sind nun im sechsten Corona-Monat und es geht uns recht gut. Zumindest hätte es viel schlimmer kommen können. Der Garten wächst und gedeiht, spendet Schatten und hält uns auf Distanz zu Maskenverweigerern. Hier können wir ohne Mundschutz ordentlich durchatmen und über die Hecken hinweg ein Schwätzchen mit den Nachbarn halten.

Aber trotzdem – da fehlt etwas!

»Unser Bulli sehnt sich nach Auslauf«, stellt Regine eines wolkenverhangenen Tages fest.

»Gut, eine Wäsche, ein Ölwechsel und ein gefüllter Tank würden nicht schaden«, stimme ich zu. »Und bei der Gelegenheit können wir auch gleich beim Supermarkt vorbeifahren…«

„Okay, das auch. Aber ich meine eigentlich, dass wir mal wieder etwas ganz anderes erleben sollten: in Meerwasser schwimmen, auf Wüstenpisten die optimale Geschwindigkeit austesten oder auf wildromantischen, engen und holprigen Bergpässen die reine, kühle Höhenluft atmen«.

»Wo willst du denn hin? Das Auswärtige Amt gibt im Moment ja Reisewarnungen im Akkord heraus. Und an die Ostsee mag ich nicht. An den Naherholungszielen treten sich alle gegenseitig auf die Füße und die Einheimischen beklagen, dass die Touris zuviel Müll hinterlassen, wild und undiszipliniert parken und wünschen sich ein Touristenverbot. Wer trotz aller Warnungen in den Urlaub fährt ist sowieso der Buhmann, könnte er doch Corona mitbringen. Und auf Quarantäne hat eh keiner Bock, es wird ja auch nicht kontrolliert. Wir wollten mal Spannung und Abenteuer auf unseren Reisen.«

»Stimmt! Aber kann man nicht auch Urlaub machen ohne eine beschwerliche Anreise, ungepflegte Campingplätze oder überteuerte Hotels? Da sollte die Tourismusbranche mal drüber nachdenken.«

»Ich wette, das hast du schon getan.«

»Natürlich. Mein Plan ist fertig und ich brauche nur noch ein paar Reiseanbieter, die da mitmachen.«

Natürlich bin ich neugierig, brauche aber nicht weiter zu fragen, denn Regine brennt schon drauf, ihren Plan vorzutragen.

»Ich habe mich schon oft gefragt, wie sinnvoll es ist, eine weite, stressige und beschwerliche Anreise in Kauf zu nehmen – nur um festzustellen, das am Urlaubsort die Wirte nur am Umsatz interessiert sind, der urlaubsuchende Gast selber aber gar nicht willkommen ist.«

Regine sieht meinen zweifelnden Blick. »Pass auf, wir kreieren den virtuellen Urlaub!«

Ich sage erstmal nichts und warte ab.

»Stell dir vor, die Leute bekommen Prospekte wie immer, sie buchen wie immer und sie zahlen im Voraus, wie immer.“

»Ja und? Was ist das Besondere daran?«

»Das Besondere daran ist, dass die Leute anschließend zu Hause bleiben dürfen! Die müssen nicht extra noch weite Reisen machen und Corona-Risiken in Kauf nehmen. Da haben sie es zu Hause doch viel besser. Alles bleibt wie es ist: gewohnte Getränke und Speisen, gewohnte Sprache, keine engen, ungemütlichen Hotelzimmer, keine Anreise mit Stress, Stau und hohen Sprit- und Mautkosten …«

»Aber, die Tourismusindustrie, das ist doch ein Wirtschaftsfaktor.« Ich stelle mir vor, dass dann auch keine Touristen mehr nach Bayern kämen. Und manche Familien leben doch ausschließlich davon.

»Eben, Harald, die haben sogar weniger Kosten. Denn du zahlst ja im Voraus und kein Mensch kann kontrollieren, wie oft du ein Zimmer vermietest. Es gibt damit auch keine Überbuchungen mehr, die Zimmer werden geschont, es müssen nicht jeden Tag komplett alle Handtücher gewaschen werden. Du weißt, wie umweltbelastend das ist.«

»Und was ist mit der Kultur? Wie du immer sagst, andere Länder, andere Sitten, oder so.«

»Ganz einfach, für die Dauer des Urlaubs bekommst du einen Internetlink freigeschaltet. Da siehst du täglich dein Hotelzimmer, die Zimmermädchen und die netten Mädels aus der Bar stellen sich vor. Stramme Skilehrer, Wanderführer, Tennis- und Segellehrer winken für die weiblichen Gäste in die Kamera und lassen ihre Telefonnummer freischalten. Morgens, mittags und abends bei Sonnenunteruntergang gibt es einen Panoramablick über die Alpen, das Mittelmeer oder die Sahara. Wo man eben gerade Urlaub macht. Du kannst den aktuellen Wetterbericht lesen und weißt, ob du gerade einen Sonnenbrand bekommst oder vor Kälte zitterst. Der wöchentliche Heimatabend wird natürlich auch live aus dem Hotelfoyer übertragen …«

Nun bekomme auch ich Gefallen an dieser Idee: »Die Sprit- oder Flugkosten sparen wir auch, die Umwelt wird entlastet und ich kann mich mit einem richtigen temperierten Weißbier vor den Plasmafernseher mit 75 Zoll oder so setzen und den Urlaub genießen. Alternativ könnte man sich auch einen Liegestuhl im Wohnzimmer aufstellen und eine Virtuelle-Reality-Brille aufsetzen, dann ist das Urlaubsgefühl noch echter. Doch, das wäre schon toll, so ein virtueller Urlaub.«

»Ja, und das lässt sich ja noch weiter ausbauen: Stell dir vor, du kannst dann auch virtuell die Museen besuchen, der Eintritt wird natürlich real von deinem Konto abgebucht, du bekommst eine Kurkarte und zahlst auch ganz echt die Kurtaxe – stell dir vor, wie das den Gemeinderat freuen wird. Das Kurkonzert wird natürlich live übertragen und du brauchst nicht einmal aus dem Haus, um dir das anzuhören.«

Regine überlegt eine Weile, dann kommt ihr noch eine Idee: »Man könnte einen Service einrichten, der ganz real Ansichtskarten an unsere Freunde und alle die wissen sollen, was wir für einen tollen Urlaub machen, verschickt. Mit Originalpoststempel. Allerdings, wer verschickt noch Ansichtskarten?«, fragt sie sich. »Außerdem steht auf Poststempeln immer nur Briefzentrum sowieso und nicht der Ortsname.

»Ich hab’s, so machen wir das!«, jubelt sie plötzlich.

»Was machen wir?«, will ich wissen.

»Pass auf! Du kannst denen jeden Tag mitteilen, was du zu tun gedenkst, welchen Wanderung oder Ausflug du machen willst. Vielleicht willst du ja auch eine Yacht mieten oder mit dem Ballon fahren. Die schicken dir dann aktuelle Fotos, in die du noch ein Bild von dir hineinkopieren kannst, und das Ganze verschickst du dann per WhatsApp an deine Freunde.«

»Ich will mich nicht in ein Foto hineinkopieren«, wende ich ein.

»Macht nichts. Da könnte man auch einen speziellen Service dafür einrichten. Mit Photoshop geht doch alles! Und irgendwie müsste man noch eine Möglichkeit finden, damit sich dein Smartphone an deinem Urlaubsort auch in das dortige Netz einloggt, damit du von dort eine Standortmeldung versenden kannst. Das sieht dann richtig geil aus«.

»So ein Urlaub wird natürlich nicht billiger«, fährt sie dann fort, »aber er schont die Nerven aller Beteiligten und darauf kommt es doch an. Der Mensch will sich doch im Urlaub erholen, stimmt’s?«

»Stimmt«, muss ich zugeben. »Aber wir wollen natürlich trotzdem mit unserem Bulli durch die Welt bummeln. Schließlich heißt der Makan Angin, der ‚Windesser‘. Real! Wir wollen doch Spannung und Abenteuer. Wenn es nur erst etwas gegen dieses Corona gäbe.«

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